Die «hohe, hässliche» Bretterwand vom «Spitteler»

Als der Spitz 1901 zur Heimstätte des BSC Young Boys avancierte, wurde die noch heute bestehende Bretterwand installiert. «Nichtzahlende Kiebitze» sollten an der freien Sicht auf den Platz gehindert und zur Kasse gebeten werden. So drängten sich die Menschen eng aneinandergeschmiegt an den Spielfeldrand, nachdem sie sich durch die Eingangspforten gezwängt hatten. Doch schnell kam es dadurch zu Platzproblemen, besonders wenn der internationale Fussball auf dem Spitalacker zu Besuch war. Für das Länderspiel Schweiz – Holland vom 19. November 1922 mussten Zusatztribünen aufgebaut werden. Die bis zu 12'000 erwarteten Personen – eine Rekordzahl auf Berner Sportplätzen – brachten die Infrastruktur ans Limit. Die «Neue Zürcher Nachrichten» vermerkte, dass «von Genf, Basel, Zürich und Solothurn Extrazüge nach der Bundesstadt» fahren würden und so hat nach Ankunft der Züge «eine richtige Völkerwanderung nach dem Sportplatz Spitalacker» eingesetzt. Eine Stunde vor Spielbeginn waren Tribüne und Stehplätze so dicht besetzt, dass die Zuschauer:innen Mühe hatten, zu passieren. Die Fussballschweiz fand sich dicht gedrängt auf dem Spitalacker zusammen und dufte einen dominanten Sieg der Schweizer Mannschaft (5:0) feiern. Die Bretterwand konnte die «Kiebitze» kaum mehr halten.

Doch selbst für den normalen Klubbetrieb wurde der Spitalacker zu eng: Einem Freundschaftsspiel zwischen dem BSC Young Boys und den Profis der Bolton Wanderers im Mai 1923 wohnten rund 6000 Zuschauer:innen bei – Tickets der Aussenverkaufsstellen mussten vorgängig eingezogen werden, da sich abzeichnete, dass die Plätze knapp wurden. Die Verantwortlichen des BSC Young Boys entschlossen sich in der Folge eine «großzügig angelegte neue Sportplatzanlage zu schaffen» und das daraus entstandene Stadion Wankdorf wurde 1925 in Betrieb genommen. Der «Spitteler» lag jedoch nicht brach. Der FC Minverva und FC Zähringia gingen eine Allianz ein und traten die Nachfolge des BSC Young Boys an. Die Bretterwand konnte die kleineren Mengen wieder zähmen. Der Platz blieb jedoch ein Ort des schweizweiten wie auch internationalen Fussballs. Im Jahr 1937 veranstaltete etwa der FC Zähriniga ein Spiel gegen die über Pfingsten auf Heimatbesuch befindlichen Mitglieder der «Union Sportivo Suisse» aus Antwerpen. Dass solche Spiele jedoch nicht mehr die grossen Massen anzulocken vermochten, zeigt der Aufruf im «Bund», dass man dem Spiel «zum Zeichen der Sympathie für die Auslandschweizer recht zahlreich beizuwohnen» möge.

Später, in den 1980er Jahren, wurde nicht nur Kritik an der «hohen» und «hässlichen» Bretterwand laut, der Sportplatz Spitalacker sollte auch öffentlich zugänglich gemacht werden. Aufgekommen war die Idee beim «Stadtrats-Quartierbewohner-Höck» im legendären «Breitsch-Träff», der ins Leben gerufen wurde, um den Dialog zwischen Parlamentariern und der Quartierbevölkerung zu stärken. Das Spitalackerquartier sei «mit Grünflächen nicht eben verwöhnt» und die hohe Bretterwand war somit ein Dorn im Auge. Entsprechende Projekte, die Wand durch eine Pflanzenhecke zu ersetzen, lagen der Stadtgärtnerei bereits vor. Doch die Motion vom damaligen alt-Stadtrat Franz Mäder, wurde nach Rücksprache mit den Vereinen und dem Umweltschutz- sowie Denkmalamt abgelehnt. Die Bretterwand gehöre zum Quartierbild. Anstatt Hecken sollten Schlingpflanzen für etwas Grünfläche im Breitsch sorgen. Noch niemand ahnte, dass der Spitz durch diesen Entscheid nur sechs Jahre später wieder internationalen Fussball beherbergen würde.

Im September 1991 fand das Direktduell der beiden Anwärter der Qualifikationsgruppe 2 auf das Europameisterschafts-Ticket in Schweden (1992) statt. Die Vorfreude war gross und Schott:innen fluteten Bern, wobei vom Schweizer Fernsehen vor allem die Trinkfestigkeit der Gäste von der Insel akribisch dokumentiert wurde. Umso fokussierter wollte sich das schottische Team auf das anstehende Spitzenspiel vorbereiten: Sowohl für den Montag, wie auch Dienstag vor dem wegweisenden Spiel erbat sich der schottische Verband beim SFV einen «geschlossenen Platz». Die Trainings sollten unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Nur tat sich der SFV schwer, auf die Forderung eingehen zu können. Nach Abklärungen kam man zum Schluss, dass die Anforderungen nur ein Platz in Bern einigermassen erfülle: Der «Spitteler» mit seiner «legendären Ladenwand» kam somit wieder zu «internationalen Ehren». Das Spiel endete nach einer 2:0 Führung der Schweiz (Chapuisat & Hermann) schlussendlich mit 2:2. Schottland fuhr zur EM.

Zwar bezeichnete die Zeitung «Der Bund» die «zeitresistente Bretterwand» noch im Jahr 2017 als Abtrennung zur Aussenwelt, doch wirkt diese Beschreibung längst nicht mehr passend. Vielmehr schwappte in den vergangenen Jahren das lebendige Treiben über die Bretterwand hinaus und sorgte für Kontroversen – Anwohner:innen erwirkten eine Lärmreduktion. Seit Jahren zieht es immer mehr Menschen von nah und fern auf den Spitz. Längst vorbei sind die Zeiten von geschlossenen Geheimtrainings. Der Ort entfaltet eine verbindende Funktion. So pendelt etwa der junge Breitsch Fan Mike Weber aus dem Kanton Schwyz regelmässig an die Heimspiele und nennt als einer der Gründe dafür, dass der Spitz «mit seiner Holztribüne und der Bretterwand eine einmalige Atmosphäre» biete.

«Dr Spitz isch üsi heimat. Und o dyni!

Für Interessierte

Der Bund, Band 142, Nummer 205, 3. September 1991.
Der Bund, Band 138, Nummer 33, 10. Februar 1987

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